Die Gedenkstätte Großschweidnitz
Die Gedenkstätte Großschweidnitz hat es sich zur Aufgabe gemacht, an die Menschen zu erinnern, die zwischen 1939 und 1945 in der Landesanstalt Großschweidnitz im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde ums Leben gebracht wurden. Es ist ein Ort der Erinnerung, der Information und Bildung.
Zur Gedenkstätte gehören das ehemalige Pathologiegebäude mit Trauerhalle und der Friedhof, dessen Quartiere auch heute noch gut zu erkennen sind. Über 3.500 PatientInnen wurden hier zwischen 1939 und 1945 würdelos bestattet. Grabsteine finden sich keine mehr. Heute erinnern Namenstafeln an die lange Zeit vergessenen Menschen. Der gesamte Anstaltsfriedhof wurde zur Kriegsgräberstätte erklärt. Ein Informationssystem leitet die BesucherInnen über das Friedhofsgelände, welches sowohl für die PatientInnen als auch für das Personal der Landesanstalt zur letzten Ruhestätte wurde.
Der lange Weg des Gedenkens
Nachdem sich im Dresdner "Euthanasie"-Prozess 1947 einige Schwestern und Ärzte der Landesanstalt Großschweidnitz für ihre Beteiligung an den Krankenmorden hatten verantworten müssen, wurde es still um die Toten. Lediglich an die ermordeten ZwangsarbeiterInnen erinnerte ein unterhalb der Pathologie gelegener Ehrenhain. Es dauerte 40 Jahre, bis die Toten Mitte der 1980er Jahre in das Gedächtnis des Ortes zurückkehrten. Angeregt durch Aufarbeitungsbemühungen des ärztlichen Direktors des nahegelegenen Katharinenhofs Großhennersdorf, Dr. Jürgen Trogisch, begannen sich auch in Großschweidnitz Krankenhausmitarbeiter unter dem damalige Direktor Dr. Manfred Oertel mit der Geschichte der Landesanstalt in der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Dr. Holm Krumpolt legte eine erste medizinhistorische Arbeit über die Krankenmorde in Großschweidnitz vor. 1990 konnte auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof das Denkmal von Detlef Hermann eingeweiht werden, welches nun an alle Opfer der Krankenmorde erinnerte.
Detlef Hermann beschrieb das Denkmal wie folgt:
"Er ist wie ein Querschnitt durch ein Massengrab, ans Tageslicht gehoben und damit dem Vergessen entrissen. Auf den Toten lastet eine mächtige Schicht Erde und der Stein ist von Linien überzogen, als soll das Dargestellte verschüttet, durchgestrichen und verdrängt werden, als wäre es nicht geschehen. Rote Kreuze weisen hin auf die Schreibtischtäter in der Tiergartenstraße 4. Die Körper sind als Relief angedeutet. Es sind getötete und entwürdigte Menschen, Opfer einer unmenschlichen Ideologie. Der Gedenkstein ist über den konkreten Anlass hinaus ein Symbol für unsere Zeit, in der mit Mord und Totschlag, mit Gewalt und Krieg versucht wird, Probleme zu lösen. Die Gestaltung der Plastik beinhaltet auch ihre Einordnung auf dem Friedhof und die Festlegung ihrer Größe entsprechend dieser Situation. Von der Kapelle führt ein Weg zu einer großen Fichte, die zugleich Hintergrund für den Stein als auch Höhepunkt des Raumes ist. Beidseitig des Weges sind Baumreihen, die ihn betonen, direkt daneben sind die Massengräber. Der Weg selbst wurde mit Granitplatten ausgelegt, welche an Grabsteine erinnern. Das alles bildet eine zusammengehörende gestalterische Einheit."
In den 1990er Jahren wurde die Aufarbeitung durch regionale Initiativen fortgesetzt. So widmete sich die Umweltbibliothek Großhennersdorf unter der Leitung von Andreas Schönfelder der Ermordung der Katharinenhof-Kinder in Großschweidnitz. 1996 erschien die Publikation "Kindermaterial", aus der in den folgenden Jahren eine Wanderausstellung hervorging, die später auch in Großschweidnitz gezeigt werden konnte. Die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein widmete sich der Rolle der Landesanstalt Großschweidnitz im Rahmen der "Aktion T4".
2007 erwarb die Gemeinde Großschweidnitz das Friedhofsgelände mit dem Ziel, eine Gedenkstätte zu schaffen. Forschungen wurden angestoßen, die Gründung eines Gedenkstättenvereins vorbereitet. 2012 gründete sich auf Initiative des Bürgermeisters Jons Anders der Verein Gedenkstätte Großschweidnitz. Zu dessen Gründungsmitgliedern gehörten u.a. Dr. Jürgen Trogisch, Andreas Schönfelder, Dr. Holm Krumpolt und Marco Heine (Krankenhaus Großschweidnitz), Dr. Boris Böhm (Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein), Silke Teuerle und Martin Wallmann (Kleinwachau), Hans-Henner Niese und Monika Laufer (Großschweidnitz). Noch im selben Jahr wurde, nicht zuletzt durch das Engagement von Andreas Schönfelder, die Gedenkstätte Großschweidnitz in das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt wird der Verein durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten gefördert. Auch der Landkreis Görlitz hat den Verein beim Aufbau der Gedenkstätte Großschweidnitz finanziell unterstützt.
Projekte der Gedenkstätte
Seit 2012 hat der Verein regelmäßig Veranstaltungen und Führungen angeboten. Wanderausstellungen informierten über Einzelaspekte wie die das Schicksal der NS-Zwangsarbeiter oder die juristische Aufarbeitung der Krankenmorde. Gemeinsam mit der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein entstanden biografische Hefte. Stolpersteinverlegungen wurden unterstützt, Facharbeiten betreut, pädagogische Angebote entwickelt und durchgeführt. Durch eine Förderung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz konnte eine nahezu vollständige Opferdatenbank erstellt werden.
Die neue Gedenkstätte ist eröffnet
Ziel des Vereins war die Schaffung eines würdigen Gedenkortes, der zugleich auch ein Ort des lebendigen Lernens, der Bildung und Information sein sollte. In den vergangenen Jahren konnte auf der Grundlage des 2016/2017 erarbeiteten Gedenkstättenkonzeptes durch die Gemeinde Großschweidnitz ein umfangreiches Bauvorhaben umgesetzt werden. Die ehemalige Pathologie konnte saniert und eine Dauerausstellung eingerichtet werden. Das Friedhofsgelände wurde wieder hergestellt. Im Mai 2023 ist die Gedenkstätte eröffnet worden. Sie ist nun in Trägerschaft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und bildet mit der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein einen fachlichen Verbund.
Die Gedenkstätte ist täglich geöffnet.