Spätestens mit der Predigt von Clemens August Graf von Galen am 3. August 1941 war offenbar geworden, dass die seit über einem Jahr laufenden zentralen Krankenmorde kein Geheimnis mehr waren. Der Bischof von Münster kritisierte offen „die furchtbare Lehre, die die Ermordung Unschuldiger rechtfertigen will, die die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen Invaliden, Krüppel, unheilbar Kranken, Altersschwachen grundsätzlich freigibt.“ Schnell verbreiteten sich Abschriften der Predigt im gesamten Deutschen Reich. Vor dem Hintergrund des ausbleibenden Sieges im Krieg gegen die Sowjetunion scheute Adolf Hitler die offene Konfrontation mit der katholischen Kirche. Stattdessen entschied er am 23. August 1941, die zentralen Krankenmorde abzubrechen. Über 70.000 Menschen waren bis dahin in den Gaskammern der sechs Tötungsanstalten ermordet worden.
Die Entscheidung Hitlers kam für die Krankenmordorganisation überraschend. Zwar wurden die Morde in den Tötungsanstalten am 24. August 1941 gestoppt, die übrigen Verlegungen von Patientinnen und Patienten in die sogenannten Zwischenanstalten liefen aber zunächst weiter. So erreichte noch am 25. August 1941 ein Transport von 34 Frauen aus der schlesischen Heil- und Pflegeanstalt Lüben die sächsische Landesanstalt Großschweidnitz. Die bei Löbau gelegene Psychiatrie diente als Zwischenanstalt. 2.380 Menschen waren 1940 und 1941 von dort aus in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein gebracht worden. Auch die 34 aus Lüben verlegten Frauen sollten dort ermordet werden.
Aufgrund des „Euthanasie“-Stopps kam es nicht mehr dazu. Dies bedeutete für die Frauen, die in der Anstalt als „Durchgangskranke“ erfasst waren, jedoch nicht die Rettung. Seit Kriegsbeginn war die Sterblichkeit in Großschweidnitz kontinuierlich gestiegen, vor allem wegen der unzureichenden Versorgung. Aber auch erste systematische Morde mit überdosierten Medikamenten fanden dort bereits seit Winter 1940 statt.
Ab September 1941 stieg vor allem die Sterblichkeit der als „Durchgangskranke“ in Großschweidnitz verbliebenen Männer und Frauen. Sie wurden nicht mehr zentral selektiert, sondern Ärzte und Pflegepersonal entschieden vor Ort, wer sterben musste. Kriterien waren das Verhalten, der Pflegeaufwand und die Arbeitsfähigkeit. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges starben über 5.500 Menschen in Großschweidnitz. Von den 34 Frauen, die einen Tag nach Abbruch der zentralen Krankenmorde nach Großschweidnitz kamen, starben 24 bis zum 8. Mai 1945 in Großschweidnitz. Acht Frauen wurden am 1. April 1943 nach Hadamar, wo ebenfalls eine Tötungsanstalt war, verlegt und dort ermordet. Nur zwei Frauen dieses letzten „T4“-Transportes nach Großschweidnitz vor 80 Jahren überlebten die zentralen Krankenmorde und die folgende dezentrale Ermordung von als „lebensunwert“ stigmatisierten und verfolgten Menschen im Nationalsozialismus.
Der Beitrag entstand in Kooperation mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein.