„Was dann losging, war ungeheuerlich“. Die frühen Konzentrationslager in Sachsen (4.9.-30.10.16)
Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden in Sachsen zahlreiche Folterstätten und mehr als 20 „wilde Lager“ errichtet, die der Verfolgung und Unterdrückung politisch Andersdenkender dienten. Eines der ersten Konzentrationslager in Sachsen wurde in der Oberlausitz, im Schloss Hainewalde, eingerichtet. Folterstätten entstanden u.a. im „Braunen Haus“ in Löbau, der ehemaligen Druckerei der sozialdemokratischen „Volkszeitung“, im „Sächsischen Hof“, dem „Schwarzen Adler“ und im Haus Neustadt 34/Ecke Frauenstraße in Zittau. An letzterem erinnert heute eine Tafel an die dort verübten Misshandlungen.
Die Wanderausstellung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten dokumentiert die Geschichte der unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 eingerichteten frühen Konzentrationslager. Anhand ausgewählter Opfer- und Täterbiografien werden die Funktion dieser provisorischen Haftstätten, die Haftbedingungen und unterschiedlichen Lebenswege beleuchtet.
Mit Hilfe der Ausstellung können die verschiedenen Facetten der gegen das eigene Volk gerichteten Repression im Nationalsozialismus aufgezeigt werden: die Verfolgung und Inhaftierung politisch oder religiös Andersdenkender auf der einen und die Stigmatisierung, Ausgrenzung und Ermordung psychisch und physisch kranker Menschen auf der anderen Seite.
Ausstellungseröffnung: 4. September 2016, 15.00 Uhr in der Gedenkstätte Großschweidnitz
In die Ausstellung wird Dr. Bert Pampel, Stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Leiter der Dokumentationsstelle, einführen.
Öffnungszeiten der Ausstellung: 4. September bis 30. Oktober 2016, jeden Sonntag 14-17 Uhr und nach Vereinbarung
Führungen und Projekte: Nach Vereinbarung (vorstand@gedenkstaette-grossschweidnitz.org)
Erneuerung der Namenstafeln für die "geisteskranken Ostarbeiter"
Im Mai/Juni 2016 konnten die Namenstafeln der sog. geisteskranken Ostarbeiter, die auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof den Weg zum Denkmal säumen, erneuert werden. Witterungsbedingt waren die Namen auf den Gedenkplatten deutlich verblasst, die Platten selbst zum Teil in den Boden versunken. Um die Lesbarkeit der Namen wieder herzustellen, wurden die Platten gesäubert, die Schrift nachgezogen und damit wieder sichtbar gemacht. Anschließend wurden die Platten angehoben. Unterstützung erhielt der Verein dabei nicht nur von der Gemeinde Großschweidnitz, sondern auch von zehn Abiturienten des Evangelischen Schulzentrums Leipzig, die vermittelt durch die Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste die Gedenkstätte Großschweidnitz besuchten.
Die sog. geisteskranken Ostarbeiter – Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion und Polen – wurden in der ehemaligen Landesanstalt Opfer der NS-Krankenmorde. Insgesamt, so ergaben neuere Forschungen, starben in Großschweidnitz zwischen 1940 und 1945 mindestens 76 Zwangsarbeiter. Die Mehrzahl stammte aus Polen und der Sowjetunion, einige auch aus Belgien und Frankreich. Sie waren verstärkt ab 1943 mit dem Ziel der Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in die Landesanstalt eingewiesen worden. War die Prognose schlecht, war dies quasi das Todesurteil. Sie rangierten innerhalb der Patientenhierarchie an unterster Stelle und verstarben in der Regel innerhalb weniger Wochen.
Vortrag zur "Kindereuthanasie" in Großschweidnitz am 27. Mai 2016
Am 27.5.2016, 19.00 Uhr, wird der Historiker Christoph Hanzig über die „Kindereuthanasie“ in der ehemaligen Landesanstalt Großschweidnitz sprechen. Der Vortrag findet im Rahmen der Sonderausstellung „Die Kinder von Sonnenstein“ in der Gedenkstätte Großschweidnitz statt.
Zwischen 1939 und 1945 wurden im Deutschen Reich über 5.000 Kinder, die der NS-Ideologie nach als „lebensunwert“ galten, durch überdosierte Beruhigungsmittel systematisch ermordet. Ein Gutachterkreis von drei Ärzten, der sog. „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung schwerer erb- und anlagebedingter Leiden“, dem „missgebildete Kinder“ gemeldet werden sollten, entschied anhand der Akten über Leben und Tod und veranlasste die Verlegungen in sog. „Kinderfachabteilungen“. Etwa 30 solcher „Kinderfachabteilungen“ gab es zwischen 1939 und 1945 im Deutschen Reich – eine davon ab 1943 in der Landesanstalt Großschweidnitz.
Über 550 Kinder wurden in Großschweidnitz durch überdosierte Medikamente ermordet. Die Morde begannen dabei nicht erst mit der Einrichtung der „Kinderfachabteilung". Bereits Ende 1940 fielen zahlreiche Kinder der sog. „Trional“-Kur zum Opfer.
Christoph Hanzig wird in seinem Vortrag auf diese bislang weitestgehend unbekannten Morde eingehen. Er hat im vergangenen Jahr die über 550 Akten der ermordeten Kinder erfasst und ausgewertet und wird ausgehend davon die neuesten Forschungsergebnisse präsentieren.
Die Ausstellung ist an diesem Tag von 14.00 bis 19.00 Uhr geöffnet.
Die Kinder von Sonnenstein. Eine Ausstellung von Frank Voigt (21. Mai - 5. Juni 2016)
Ein Video eines träumend schaukelnden Kindes, eine Lichtinstallation mit blütenüberrankten Kinderporträts, Collagen mit Kinderszenen, die von Blüten- und Blattmotiven überzogenen werden aber auch Collagen von klinisch kühlen Fotoaufnahmen aus Patientenakten eröffnen dem Betrachter eine besondere Sicht auf die im Rahmen der NS-Krankenmorde getöteten Kinder.
Es sind die Kinder aus dem sächsischen Katharinenhof, mit denen sich Frank Voigt in seiner Arbeit auseinandersetzt. Für sie war die ehemalige Landesanstalt Großschweidnitz eine Station in den Tod. Sie wurden entweder nach Pirna-Sonnenstein weiterverlegt und dort im Rahmen der „Aktion T4“ ermordet, oder in Großschweidnitz durch überdosierte Medikamente zu Tode gebracht. Über 500 Kinder starben zwischen 1939 und 1945 in Großschweidnitz. Der Großteil von ihnen wurde nach 1943 in einer sog. „Kinderfachabteilung“ ermordet. An das Schicksal der ermordeten Kinder soll die Ausstellung erinnern, aber auch unseren heutigen Umgang mit behinderten Menschen hinterfragen.
Ausstellungseröffnung: 21. Mai 2016, 15.00 Uhr in der Gedenkstätte Großschweidnitz
In das Werk Frank Voigts wird die Vorsitzende des Landesverbandes Bildende Kunst Sachsen e.V., Simone Heller, einführen. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zur Besichtigung der Ausstellung und des Gedenkstättengeländes sowie Gespräche mit dem Künstler.
Öffnungszeiten der Ausstellung: 21. Mai – 5. Juni 2016
21.5. (Sa) 15:00-18:00 Uhr
22.5. (So) und 24.5. (Die) jeweils 14:00-18:00 Uhr
27.5. (Fr) 14:00-19:00 Uhr
29.5. (So), 31.5. (Die), 3.6. (Fr), 5.6. (So) jeweils 14:00-18:00 Uhr
und nach Vereinbarung
Abendvortrag: 27. Mai 2016 (Fr), um 19.00 Uhr
Der Historiker Christoph Hanzig wird die jüngsten Forschungsergebnisse zur „Kindereuthanasie“ in Großschweidnitz präsentieren.
Vortrag zu nationalsozialistischen Zwangssterilisationen in Ostsachen
Zu einem Abendvortrag laden Archivverbund und Gedenkstätte Bautzen am Dienstag, den 10. Mai 2016 um 19.00 Uhr alle Interessierten herzlich in den Veranstaltungsraum Schloßstraße 12 in Bautzen ein. Dr. Boris Böhm, Leiter der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein spricht zum Thema „Das Erbgesundheitsgericht Bautzen und die NS-Zwangssterilisationen im Bereich des Gesundheitsamtes Bautzen (1934-1945)“. Dabei geht es um die Zwangssterilisationen, die auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 vollzogen wurden. Davon betroffen waren auch viele Patienten der Landesanstalt Großschweidnitz, die im nahegelegenen Bezirkskrankenhaus Ebersbach, der größten Sterilisationsklinik Ostsachsens, gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht wurden. Der Vortrag porträtiert Tatbeteiligte und Opfer des lange vergessenen NS-Unrechts. Der Eintritt zu Veranstaltung ist frei.
Die hier präsentierten Forschungsergebnisse sind Teil des von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung 2016 herausgegebenen Sammelbandes über „Nationalsozialistische Zwangssterilisationen in Sachsen 1933-1945“. Das Buch kann über die Landeszentrale kostenfrei bestellt werden.
Neuer Vorstand gewählt
Auf der Mitgliederversammlung am 27. Februar 2016 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Ihm gehören an:
Jons Anders - Vorsitzender
Ulrich Wernicke - stellvertretender Vorsitzender
Hans-Henner Niese - Schatzmeister
Silke Teuerle - Schriftführerin
Maria Fiebrandt - Verantwortliche Öffentlichkeitsarbeit
Wir danken dem alten Vorstand für die geleistete Arbeit.
Sächsisches Sozialministerium fördert Großschweidnitzer Opferdatenbank
Die Gedenkstätte Großschweidnitz e.V. hat im Dezember 2015 mit der namentlichen Erfassung aller zwischen 1939 und 1945 in der ehemaligen Landesanstalt Großschweidnitz verstorbenen bzw. ermordeten Psychiatriepatienten begonnen. Bis Ende 2016 sollen alle der über 5.700 Patienten, deren Namen und Biografien bislang größtenteils unbekannt sind, in einer Datenbank erfasst sein. In Kooperation mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein werden dazu die im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden verwahrten Patientenakten von Historikern ausgewertet. Die Namen der Opfer sollen schließlich in das Gedenkbuch für die sächsischen Opfer der NS-Krankenmorde aufgenommen werden, um an die in Großschweidnitz zu Tode gekommenen Patienten namentlich erinnern und gedenken zu können. Langfristig soll auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof Großschweidnitz für die dort heute namenlos Ruhenden ein würdiger Gedenkort entstehen.
Möglich wurde die Umsetzung dieses für die Gedenkstätte zentralen Vorhabens durch die Förderung des Sächsischen Ministeriums für Soziales und Verbraucherschutz im Rahmen der Ausschreibung „Projekte zur Erinnerungskultur für den Ersten und Zweiten Weltkrieg als Teil der historisch-politischen Bildung im Freistaat Sachsen“.
Durch das Projekt wird die Grundlage für die künftige Dauerausstellung und die historisch-politische Bildung der noch im Aufbau befindlichen Gedenkstätte Großschweidnitz gelegt. Zugleich können damit die zunehmenden Anfragen von Angehörigen präziser und schneller beantwortet werden. Durch die begleitende Forschung zur Geschichte der Landesanstalt Großschweidnitz im Nationalsozialismus, und insbesondere zum ehemaligen Anstaltsfriedhof, sollen die durch überdosierte Medikamente, Vernachlässigung und systematische Unterernährung begangenen Krankenmorde umfassend aufgearbeitet werden.
Gedenkveranstaltung am 22. November 2015
Herzliche Einladung an alle,
EIN LICHT ZUM GEDENKEN
anzuzünden,
25 Jahre nach der Einweihung des Denkmals für die Opfer der NS-„Euthanasie“ auf dem Friedhof der Gedenkstätte Großschweidnitz
am 22.11. 2015
14.00-15.30 Uhr
Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag in der Krankenhauskirche
ab 15.30 Uhr
Andacht und Gedenken mit Musik auf dem Friedhof der Gedenkstätte Großschweidnitz / bei Regen in der Trauerhalle
ab 16.15 Uhr
Vortrag und Information zum Denkmal und zum Friedhof in der Cafeteria von W&N Lebensräume.
Die Gedenkstätte ist ab 13.00 Uhr geöffnet.
Impressionen von der Stolpersteinverlegung am 29. September 2015 in Wilsdruff
Stolpersteinverlegung am 29. September 2015 in Wilsdruff
Im Rahmen der Stolpersteininitiative wird am 29. September 2015 für Fritz Richard Pöthig und seine Ehefrau ein Stein verlegt.
Fritz Richard Pöthig (1899-1944) lebte mit seiner Frau Johanna Pöthig und ihren zwei Söhnen in Wilsdruff. Er arbeitete als landwirtschaftlicher Verwalter. Aufgrund seines sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustandes – er litt an epileptischen Anfällen – konnte er diese Tätigkeit jedoch seit Ende der 1930er Jahre nicht mehr ausüben und die Ernährung seiner Familie nicht mehr sicher stellen. 1939 erfolgte die (zwangsweise) Ehescheidung. 1940 wurde er mit der Diagnose „genuine Epilepsie“ zwangssterilisiert. Ende 1943 wurde er aufgrund seiner Krankheit endgültig als nicht mehr arbeitsfähig eingestuft. Am 24. Januar 1944 erfolgte die Einweisung in die Landesanstalt Arnsdorf. Im ärztlichen Fragebogen hieß es: "Epileptische Demenz. Weiteres Belassen zu Hause nicht möglich. Anstaltsbehandlung notwendig." Wenige Monate später, am 21. April 1944, wurde er von Arnsdorf nach Großschweidnitz verlegt, wo er nach nur zwei Monaten, am 8. Juni 1944, verstarb.
Wir möchten Sie, auch im Namen des Veranstalters „Stolpersteine für Dresden e.V.“ recht herzlich zu folgenden Veranstaltungen einladen:
Termine:
28.9.2015, 19:00 Uhr
Feierstunde anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen in Dresden und dem Umland im Vortragssaal der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Zellescher Weg 18)
29.9.2015, 15:25 Uhr
Stolpersteinverlegung Dresdner Str. 26, Wilsdruff
Neues Dach für die ehemalige Pathologie
In der letzten Juliwoche haben die Bauarbeiten am Dach der ehemaligen Pathologie auf dem Friedhof Großschweidnitz begonnen. Bis voraussichtlich Ende August 2015 sollen sie abgeschlossen sein. Die Sanierung war notwendig geworden, da sich die erst vor wenigen Jahren auf das Dach aufgebrachten Dachziegeln durch einen Fehlbrand aufzulösen begannen und damit die bauliche Erhaltung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes bedroht war. Dem Engagement des Großschweidnitzer Bürgermeisters Jons Anders ist es zu verdanken, dass nun die dafür notwendigen Gelder seitens des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst bereitgestellt wurden. Die über das Wissenschaftsministerium zur Verfügung gestellten Gelder stammen aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR und sollen für gemeinnützige Projekte eingesetzt werden. Etwa 29.000 Euro stellt das Ministerium aus diesem Fond für die Dachsanierung bereit. Die Dachziegel werden von der Nachfolgefirma des Dachziegelherstellers gesponsert.
Mit der Sanierung des Daches ist ein entscheidender Schritt zur Erhaltung des zentralen Gedenkstättengebäudes getan. Das gesamte Gebäude, das momentan von der Gemeinde für Trauerfeiern und von der Gedenkstätte Großschweidnitz e.V. als Raum für Wanderausstellungen und im Rahmen von Führungen über das Friedhofsgelände genutzt wird, soll in den nächsten Jahren eine grundlegende Sanierung erfahren.
Die Gedenkstätte Großschweidnitz e.V. möchte an dieser Stelle der Gemeinde Großschweidnitz nochmals ausdrücklich für ihre Unterstützung danken!
Stolpersteinverlegung für Albert Müller aus Zittau
Am 1. August 2015 wurde auf Initiative der Hillerschen Villa e.V. in Zittau auf der Goldbachstraße vor dem ehemaligen Wohnhaus von Albert Müller ein Stolperstein für ein Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“ verlegt. Gunther Demnig, Künstler und Initiator der europaweiten Kunstaktion Stolpersteine, verlegte den von ihm gefertigten Stolperstein in Erinnerung an Albert Müller, der als Patient der Großschweidnitzer Heil- und Pflegeanstalt im September 1940 nach Pirna-Sonnenstein deportiert und dort im Rahmen der „Aktion T4“ in der Gaskammer ermordet wurde.
Albert Müller lebte bis zu seiner Einweisung nach Großschweidnitz mit seiner Familie in Zittau. Er hatte in der Lohnbuchhaltung der Phänomenwerke gearbeitet. Aufgrund einer psychischen Erkrankung konnte er ab 1929 dieser Arbeit nicht mehr nachgehen und wurde in die Heil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz aufgenommen. 1935 wurde er wie viele seiner Mitpatienten in Großschweidnitz sterilisiert. Fünf Jahre später fiel er dem NS-Krankenmord zum Opfer. Albert Müller war zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt. Um die Spuren seines Todes zu verwischen, erhielten die Angehörigen die Todesmitteilung und Urne nicht aus Pirna-Sonnenstein, sondern aus Grafeneck/Baden-Württemberg, eine der insgesamt sechs „T4“--Tötungsanstalten im Deutschen Reich. 1940/1941 wurden in diesen eigens zur Ermordung von psychisch und physisch kranken Menschen eingerichteten Gasmordanstalten über 70.000 Patienten getötet. Allein in Pirna-Sonnenstein waren es fast 15.000 Menschen – einer von ihnen war Albert Müller aus Zittau, an dessen Schicksal nun ein Stolperstein erinnert.
Ausstellung LEBENSUNWERT erfolgreich beendet
Am 29. Juni endete in der Gedenkstätte Großschweidnitz die Ausstellung LEBENS(UN)WERT . Die nationalsozialistische „Euthanasie“ im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren 1939-1945. Sie wurde um einen Tag verlängert, da noch drei Besuchergruppen kurzfristig ihr Interesse bekundet hatten. Insgesamt besuchten innerhalb von sechs Wochen 600 Menschen die österreichisch-deutsch-tschechische Ausstellung und ihr Begleitprogramm, zu dem zwei Vortragsabende zur Geschichte der NS-Krankenmorde in Großschweidnitz und im benachbarten tschechischen Kosmonosy sowie ein Filmabend gehörten. Erfreulich war der rege Zuspruch von Besuchergruppen, wie des Berufsschulzentrums Löbau und des Christian-Weise-Gymnasiums Zittau, die gleich mit mehreren Klassen die Ausstellung zu Führungen und vertiefender Projektarbeit besuchten. Mitarbeiterinnen von W&N Lebensräume führten erneut durch ihre Räume und stellten im Kontrast zum menschverachtenden Programm der NS-„Euthanasie“ mit ihrer modernen Konzeption Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung und psychischer Krankheit in der Gegenwart vor. Auch die Teilnehmer der Frühjahrstagung des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation besuchten die Ausstellung und diskutierten im Anschluss kontrovers über die zukünftige Gestaltung der Gedenkstätte.
Rückblick auf die Arbeitskreistagung 5. bis 7. Juni 2015
Seit über 30 Jahren trifft sich der Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation zweimal im Jahr, um sich über neue Forschungen, bioethische Fragen und Formen des Erinnerns auszutauschen. Die diesjährige Frühjahrstagung fand auf Einladung des Vereins Gedenkstätte Großschweidnitz e.V. vom 5. bis 7. Juni in Löbau und Großschweidnitz statt.
Die über 60 Teilnehmer hatten die Möglichkeit, sich vor Ort einen Überblick über die Entwicklung der angestrebten Gedenkstätte zu verschaffen. Erste Ergebnisse einer Auswertung von 570 Patientenakten von in Großschweidnitz verstorbenen Menschen, die im Rahmen des Gedenkbuchprojektes der Stiftung Sächsische Gedenkstätten erfolgte, unterstrichen die überregionale Bedeutung der Landesanstalt als Ort der NS-Krankenmorde. Hier wurden Männer, Frauen und Kinder aus dem gesamten Deutschen Reich ermordet. Im weiteren Kriegsverlauf auch sogenannte „geisteskranke Ostarbeiter“, also Zwangsarbeiter aus dem besetzten Osteuropa. Gerade hier sind noch viele Fragen ungeklärt.
Ebenso wichtig war die Vorstellung erster Konzeptionen für eine künftige Ausstellung in Großschweidnitz, wobei zahlreiche Teilnehmer eine stärkere Einbindung des ehemaligen Anstaltsfriedhofes anregten. Der Austausch mit zahlreichen Experten und Interessierten, konnte im Ergebnis wichtige Impulse für die weitere Etablierung einer Gedenkstätte in Großschweidnitz geben.
Den vollständigen Tagungsbericht finden Sie: Hier
Gelungener Auftakt der Ausstellung „LEBENSUNWERT“ in der Gedenkstätte Großschweidnitz
Zur Eröffnung am 17. Mai führten mit Herrn Dr. Böhm aus Pirna-Sonnenstein und Herrn Dr. Šim?nek aus Prag zwei unmittelbar Beteiligte in das länderübergreifende Ausstellungsprojekt “’LEBENSUNWERT’. Die nationalsozialistische Euthanasie im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren“ ein. Sie informierten über die Ausdehnung nationalsozialistischer Rassenideologie auf deutsche und jüdische Psychiatriepatienten der 1938/39 annektierten Tschechoslowakei. Dr. Novak, stellvertretender Leiter des Psychiatrischen Krankenhauses Kosmonosy (bei Mlada Boleslav) erzählte vom aktuellen Vorhaben der Einrichtung einer Gedenkstätte für über 2000 Opfer der NS Euthanasie auf dem Anstaltsfriedhof seiner Heimatstadt. Die Musiktherapeutin des Sächsischen Krankenhauses Großschweidnitz, Claudia Schreiter, spielte auf dem Akkordeon von Sehnsucht nach Leben getragene Titel, die der Veranstaltung emotionale Tiefe gaben. Zwei Tage später berührte auch der abendliche Vortrag des jungen Historikers Christoph Hanzig, der im Rahmen des Gedenkbuchprojekts von Pirna-Sonnenstein bereits 570 Großschweidnitzer Patientenakten aus dem Zeitraum 1940-45 studierte, durch die Vorstellung konkreter Schicksale von Opfern der Medikamenteneuthanasie in ihrer vielfältigen Tragik. Einheimische Ausstellungsbesucher sahen mit Interesse auch die „Großschweidnitzprotokolle“ – von den „Farbfilmern“ (Leipzig) für diese Ausstellung zusammengestellte Interviews mit Zeitzeugen der NS „Euthanasie“.
Gedenkstätte Großschweidnitz als "Politischer Ort Sachsens" ausgezeichnet
Am 19. Oktober konnte der Schatzmeister des Vereins Gedenkstätte Großschweidnitz, e.V., Herr Niese anl. der Erinnerung an 25 Jahre Friedliche Revolution in der Oberlausitz die Urkunde und das Preisgeld in Höhe von 2.000 € entgegennehmen. Die Landeszentrale für Politische Bildung hatte aufgerufen, sich um den Titel "Politischer Ort" zu bewerben. Eine Jury entscheid nun, dass die Gedenkstätte in Großschweidnitz diese Auszeichnung erhalten soll. Damit verbunden ist ebenfalls eine dreijährige Kooperation mit der Landeszentrale für politischen Bildung in Dresden.
Erfreuliche Resonanz auf die erste Ausstellung in der Gedenkstätte Großschweidnitz
Der Verein Gedenkstätte Großschweidnitz strebt die denkmalsgerechte bauliche Sanierung und Umfunktionierung der ehemaligen Pathologie des Krankenhauses auf dem Friedhofsgelände sowie die angemessene Pflege der dort befindlichen Anlage von Massengräbern als Ort des Gedenkens für über 5000 Opfer der so genannten NS „Euthanasie“ an. Dass die konzeptionelle Arbeit des seit 2013 durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten geförderten Vereins bereits jetzt öffentlich wird, erscheint sinnvoll, da der Aufbau eines Netzwerks an Interessenten, Fachleuten und Unterstützern für die Entwicklung des Projekts von grundlegender Bedeutung ist.
Im Zeitraum vom 18.Mai bis 29. Juni 2014 wurde deshalb die Wanderausstellung der Umweltbibliothek Großhennersdorf „Zwischen großem Berg und Lindenallee. Der Katharinenhof im Sächsischen Großhennersdorf während der Zeit des Nationalsozialismus“ in den noch unsanierten Räumen der Gedenkstätte gezeigt.Die bereits im Jahr 2005 erstellte Ausstellung berührte in besonderer Weise durch die Schicksale kindlicher und jugendlichen Opfer, deren Leidenswege zumeist auch mit Großschweidnitz verbunden waren. Mit kleinen Interventionen in der Ausstellung, wie der Einbeziehung eines historischen Fotoalbums der 1902 gegründeten Heil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz, einer Leihgabe des Krankenhausmuseums, oder der Installation „Wurzeln und Flügel“ im ehemaligen Sezierraum wurde der besondere örtliche und räumliche Bezug der Schau betont.
Die Ausstellung und ihre vier Begleitveranstaltungen zählten in sechs Wochen 453 Besucher. Davon waren 245 Individualbesucher und 208 kamen mit angemeldeten Gruppen. Die Gruppenbesucher – Schüler, FSJler, Azubis, Mitglieder der Jungen Gemeinde und drei Gruppen aus dem Krankenhaus – kamen in Größen von 6 bis zu 45 Menschen und nahmen unterschiedliche Führungs- und Projektangebote wahr.
Das erbetene Feedback war positiv. Besonders gut kam die Kombination des Ausstellungsbesuchs mit einer Führung und anschließendem Gespräch in der Nachbareinrichtung W&N Lebensräume gGmbH an. Dort informierten sich die Besucher über Möglichkeiten der Unterstützung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen heute. Frau Wentzke von der Geschäftsführung nannte als Grund für ihre engagierte Mithilfe – sie wolle dazu beitragen, dass man Großschweidnitz in Zukunft nicht einseitig mit den Verbrechen der Nationalsozialismus sondern auch mit jenen modernen Errungenschaften in Psychiatrie und Sozialarbeit verbinde, auf die man heute hier im Ort zu recht stolz sein könne. Erfreut war der Verein über die rege Teilnahme an den Veranstaltungen seitens des Krankenhauses und der Gemeinden. Die Veranstalter hoffen, dass Bildungseinrichtungen wie der Schkola Ebersbach, dem IB Löbau oder der Ergodia Zittau, die kurzfristig der Einladung in die Ausstellung mit Ihren Gruppen nachkamen, in Zukunft weitere Interessenten folgen. Drei Schüler der Pestalozzioberschule Löbau beteiligten sich mit einer Lesung an der Eröffnungsveranstaltung. Auf einhellig positive Resonanz bei den Besuchern stießen die Räumlichkeiten der zukünftigen Gedenkstätte mit ihrer historischen Substanz und ihrer kühlen klinischen Ausstrahlung, die als passend zum Thema empfunden wurde. Die Kleinteiligkeit der Räume stellte für Gruppenangebote zugleich eine Herausforderung dar, die nach kreativen Lösungen wie interaktiver Kleingruppenarbeit ruft. Die Erfahrungen der diesjährigen Ausstellung werden in die Gedenkstättenkonzeption, sowie die geplante Schau einer Leihausstellung der österreichischen Gedenkstätte Schloss Hartheim im nächsten Jahr einfließen. In den Begleitveranstaltungen kam in den Diskussionen das Gespräch immer wieder auf Themen wie die heutige Förderung geistig behinderter Menschen, sowie Humangenetik und Reproduktionsmedizin und wies auf die Notwendigkeit einer fundierten Auseinandersetzung auch mit diesen aktuellen Fragen hin.
Eine ausführliche Auswertung des Ausstellungsprojektes finden Sie hier.